Am 02. Juli...

Gast

... ist der Todestag unserer Tochter.
Ich möchte hier gerne berichten, um anderen Müttern, die vielleicht per Google hier her gelangen, Mut zu machen.

Am 04. August 2009 erblickte unsere Julia Annalisa das Licht der Welt. Sie war unser absolutes Wunschkind, unser Ein und Alles. Kurz nach Julias Geburt wurde ich erneut schwanger, wir wollten einen geringen Altersabstand. ET unseres zweiten Babys war der 01. September 2010.

Julia war ein liebes Baby und mein Mann und ich waren einfach nur glücklich. Vielleicht waren wir auch zu glücklich.

An jenem 02. Juli 2010, Julia war 11 Monate alt, waren meine beste Freundin und deren kleiner Sohn bei uns. Ich bekam starke Kopfschmerzen und wollte eine Tablette nehmen, aber es war keine im Haus. Meine Freundin bot sich also an, eine für mich bei der Apotheke zu besorgen, da ich starke Schmerzen hatte und zudem hochschwanger war. Damit ich mich kurz hinlegen konnte, nahm sie ihren Sohn und meine geliebte Tochter mit. Julia lachte und ich gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. "Bis gleich", sagte ich noch.
Das war das letzte Mal, dass ich meine Tochter gesehen habe.

Bei dem Autounfall wurde meine Freundin verletzt, sie hat sich ein Bein gebrochen. Ihr kleiner Sohn hatte nur ein paar Kratzer.
Julia ist gestorben.

Ich habe meiner Freundin lange schwere Vorwürfe gemacht. Julia war nicht angeschnallt, sie und ihr Sohn aber schon. Ich war wütend und habe sie gehasst. Einmal habe ich sogar zu ihr gesagt, dass ich wünschte, sie wäre anstelle meiner Tochter gestorben. Ich schäme mich heute dafür, dass ich so etwas auch nur gedacht habe, aber manchmal, in besonders schweren Momenten, kommt dieser Gedanke wieder auf und schleicht sich in meine Seele ein. Es tut mir leid.

Nach und nach habe ich verstanden, dass ich mit der Wut auf meine Freundin (und diese hat definitiv einen schrecklichen Fehler gemacht, sie hat mein Kind nicht angeschnallt) noch etwas anderes verdeckt habe: Schuldgefühle. Ich gab mir immer und immer mehr selbst die Schuld, denn ICH wollte die Kopfschmerztablette und ICH wollte, dass sie meine Tochter mitnimmt. Als ich diesen Satz zum ersten Mal laut ausgesprochen habe, habe ich danach einen Nervenzusammenbruch erlitten.

Außerdem kam noch etwas anderes, völlig Unerwartetes: Durch den Stress durch den Verlust meiner Julia hatte ich zwei Tage nach deren Tod einen Blasensprung. Mein kleiner Sohn Paul Emil wurde am 04. Juli 2010 in eine zerrüttete Welt hineingeboren.

Pauls Geburt hat mich gerettet. Er musste als Frühchen lange im Krankenhaus bleiben, was eine schlimme Belastung war - allerdings hatte ich dadurch einen Grund, aufzustehen. Ich habe ihn von Anfang an von ganzem Herzen geliebt, war dankbar, überhaupt noch ein Kind zu haben.

Trotzdem kam ich über den Verlust lange nicht hinweg - bin bis heute nicht darüber hinweg und werde es nie sein. Ich habe das aber akzeptiert, habe akzeptiert, dass ich mich nie "komplett" fühlen werde.
Julia Annalisa wird immer in meinem Herzen wohnen.

Mit meiner ehemals besten Freundin bin ich nicht mehr befreundet. Die Freundschaft konnten wir beide nicht weiterführen, Vorwürfe, Schuldgefühle und Streit haben diese Beziehung dominiert. Sie hat mir bisher jeden 02.07. eine Karte geschrieben, aber ich habe nie geantwortet. Ich weiß, dass sie leidet, aber ich leide mehr.
Vielleicht schreibe ich ihr aber dieses Mal zurück.

Meine Eltern, meine Schwestern, gute Freunde, liebe, verständnisvolle Kollegen, ein guter Chef und vor allem mein wundervoller Ehemann haben mir geholfen, weiterzumachen. Ohne meine Freunde und vor allem meine Familie wäre ich gestorben. Wenn Paul nicht gewesen wäre, hätte ich mich aufgegeben.
Ich dachte, ohne Julia kann ich nicht leben, aber doch - leben kann ich ohne sie. Niemals werde ich 100% glücklich sein, aber zufrieden kann ich sein, und das versuche ich jeden Tag.

Am 01. Dezember 2013 hatten wir sogar das Glück, eine weitere Tochter zu bekommen: Magdalena Julia Madita soll immer an unsere Prinzessin Julia erinnern.
Die Schwangerschaft war nicht geplant und ich wollte abtreiben, weil ich Angst hatte, dass es ein Mädchen werden könnte und ich Julia in ihm sehen würde - aber jetzt bin ich gerade darüber, dass es eine Tochter ist, froh. Ich bin glücklich, wieder ein Mädchen zu haben; Magdalena kann Julia nicht ersetzen, aber dennoch liebe ich sie unendlich. Magdalena und Julia sind beide meine Töchter.

Heute geht es mir gut - oder zumindest nicht schlecht. Ich mache immer noch eine Therapie, habe gelernt, dass ich nicht schuld bin an Julias Tod, habe gelernt, weiterzumachen. Ich bin wieder erfolgreich im Beruf (gerade aber in Babypause), kümmere mich gerne um meine wundervollen Kinder und unternehme relativ viel.

Ich bin eine Optimistin.
Überhaupt Zeit mit Julia gehabt zu haben, war ein Geschenk.
Julia war ein Geschenk.
Paul ist ein Geschenk.
Magdalena ist ein Geschenk.

Ich bin am Leben, ich habe zwei Kinder, die leben, dafür bin ich dankbar.
Ich habe gelernt, mich auf das Positive zu konzentrieren und nichts, aber auch gar nichts, als Selbstverständlich zu betrachten.
Ich habe gelernt, dass alles vergänglich ist und wir deswegen den Moment leben müssen.
Ich habe gelernt, was wichtig ist und dass man nichts im Leben sicher hat.

Und ich habe gelernt, dass wahre Liebe den Tod überdauert.

Amelie und Daniel mit Paul, Julia und Magdalena

Antworten

Gast

Hi ich bin Celina ich bin 23. Ich habe zwar kein Kind verloren aber als ich 15 war starb mein kleiner Bruder Julius, er war 12. Er wurde auf dem Weg nach Hause, er ist mit dem Fahrrad gefahren, von einem LKW angefahren worden. Er war sofort tot. Julius würde dieses Jahr 20 Jahre alt werden. Zum Glück gibt es aber noch Fabi meinen anderen kleinen Bruder er 17 und ich hin froh das er da ist.

Der Verlust der deiner Tochter tut mir auch sehr sehr Leid. Alles Gute.
LG Celina

Gast

Hey
Wir haben Amira mit 2 Jahren erklärt das sie eine Schwester hat diese aber im Himmel 'lebt'. Für sie ist es inzwischen normal.
Leona ist ja erst 5 m. aber ich denke mal das wir es ihr auch mit 2 Jahren über Nele aufklären.

Gast

Ich danke euch allens sehr für eure Anteilnahme.
Das mit deiner Tochter tut mir unendlich leid, Kirsten.
Unsere zweite Tochter ist ja noch ein Baby, aber unserem Sohn haben wir von Anfang an von seiner Schwester erzählt. Für ihn ist es ganz normal, dass er eine Schwester im Himmel hat. Wir haben ihm gesagt, dass Julia kurz vor seiner Geburt in den Himmel gezogen ist und der liebe Gott uns dafür ihn geschenkt hat. Von ihm wird das sehr gut aufgenommen.
Wie ist das bei euch?

Amelie und Daniel mit Julia, Paul und Magdalena

Gast

Hallo
Zuerst einmal:
Mein tiefes Beileid euch gegenüber!
Ich habe ebenfalls meine Tochter verloren.
Nele war ein sehr fröhliches Kind aber als sie 2 Jahre alt war kam die Schockdiagnose Leukämie. (Blutkrebs). Nele bekam sofort eine Chemo zwar hat sie den Krebs nach drei Jahren überstanden jedoch war ihr Immunsystem sehr stark geschwächt & am 4.5 2011 ist sie an einer schweren Lungenentzündung verstorben. Nele wurde nur 7 Jahre alt.
Inzwischen habe ich 2 Kinder die Amira Neele (3) & Leona Charlotte (5 m) heißen.
Aber Leona erinnert mich vom Temperament (sehr wild)her sehr stark an Nele.
Wenn ich fragen darf:
Wie & wann (Welches Alter) hast du deinen anderen Kindern von Julia erzählt?
Wie wurde es von ihnen aufgenommen?
lg kirsten & kids

Gast

So eine truarige Geschichte,wenn du dich ausweinen möchtest melde dich bei mir.
Meine Anschrift ist Sebastianstraße 12 b,
KUG
LG Chiara Mesterhasi

Gast

Danke, Christina und Marie. Euch beiden möchte ich auch gerne mein Beileid aussprechen. Ich hatte gar nicht damit gerechnet, hier noch auf andere Betroffene zu stoßen. Ihr könnt mich verstehen, und das gibt es selten. Ich finde, nur jemand, der ein Kind verloren hat, weiß, wie schrecklich und schmerzhaft das ist.
Ich freue mich, dass ihr auch beide noch weitere Kinder habt, denn das gibt einem die Kraft, sein Leben irgendwie zu ordnen.

Ich denke oft daran, wie es gewesen wäre, wenn Julia und Paul zusammen aufgewachsen wären. Sie wären vom Alter her so nah beieinander gewesen. Und auch Julia und Magdalena hätte ich gerne zusammen erlebt - die beiden Schwestern.

Ich bin mehr als froh, Paul und Magdalena zu haben, doch Julia fehlt IMMER.

Amelie und Daniel mit Paul, Magdalena und Julia

Gast

Oh man traurige Geschichte😟
Ich freue mich für dich das du gelernt hast den Tod deiner Tochter zu akzeptieren und weiterzuleben.
Ich habe am 17.05.2011 auch eine Tochter verloren. Leonie kam am 04.01.2011 per Kaiserschnitt zur Welt. Sie wurde einen Monat zu früh geboren war allerdings kerngesund. Nicht zu klein und nicht zu leicht. Trotzdem ist sie die erste Zeit im Krankenhaus geblieben. Am 9.02.2011 konnten wir Leonie endlich mit nach Hause nehmen. Sie war ein sehr liebes Baby und hat (im Gegensatz zu ihren kleinen Brüdern) fast jede Nacht durchgeschlafen. Am 16.05.2011 brachte ich sie gegen 19.00 Uhr nachdem ich sie gestillt hatte ins Bett. Ich sah ca. eine halbe Stunde später nach ihr, sie schlief bereits. Danach ist sie ungefähr um 20.15 Uhr einmal aufgewacht. Ich beruhigte sie und brachte sie wieder ins Bett. Ein paar Minuten später kam mein Mann nach Hause. Er sah sofort nach Leonie diese schlief allerdings. Während mein Mann und ich noch etwas Fernsehen guckten wachte Leonie noch zweimal auf was für sie eben sehr untypisch war. Ich machte mir allerdings keine Sorgen weil ich keine Anzeichen dafür erkennen konnte das sie z.B. krank wird. Gegen 23.30 Uhr gingen mein Mann und ich schlafen. Vorher ging ich nochmal kurz ins Kinderzimmer um nach Leonie zu schauen und sie schlief. Die weitere Nacht über wachte sie nicht mehr auf. Am nächsten Morgen standen mein Mann und ich um kurz nach 9 Uhr morgens auf da mein Mann frei hatte könnte er mal wieder länger schlafen. Ich ging also in die Küche um Frühstück zu machen. Mein Mann wollte Leonie holen. Plötzlich rief er nach mir er rief das mit Leonie etwas nicht stimme und als ich ins Kinderzimmer kam sah ich das Leonie total leblos da lag. Mein Mann nahm sie auf den Arm und rief ich soll einen Krankenwagen rufen. Als die da waren könnten sie nur noch Leonies Tod feststellen. Sie an an plötzlichem Kindstod gestorben. Seit drei Jahren ist Leonie jetzt tot und ich kann es immernoch nicht glauben. Leonies kleiner Bruder kam am 08.10.2012 zur Welt. Jannis wird dieses Jahr zwei. Er ist ein glücklicher kleiner Junge. Am 30.12.2013 kam dann unser zweiter Sohn Niklas zur Welt. Ich bin sehr froh die beiden zu haben. Und sie helfen mir auch sehr den Tod von Leonie zu akzeptieren.
Ich wünsche dir Alles Gute für dich und deine Kinder.
LG Marie & Vincent mit Jannis, Niklas & *Leonie*

Gast

Sehr Traurige und Dramatische Geschichte, mein Beileid.
Ich kenne es zu gut ein Kind zu verlieren.
Ich bin damals mit 17 schwanger geworden und es war nie wirklich geplant, deshalb ist mein Sohn Steven bei seinen Großeltern aufgewachsen. Mit 10 kam er dann zu mir, wo ich mit meiner Tochter schwanger war. Leider verlor ich sie im 5 Monat bei einem Treppensturz, dies nahm meinen Sohn sehr mit. Ich versuchte noch oft Schwanger zu werden, doch es klappte nie. 5Jahre nachdem, bekamm ich den anruf das mein Sohn nicht mehr unter uns sei...er hatte sich nach der Schule vor einen Zug geworfen. Auf einem Zettel in seinem Zimmer hatte er geschrieben das er sich Schuld fühlte das ich unsere Kleine Lucia verloren hatte und keine Kinder mehr bekommen konnte. Er konnte es ie verkraften das ich "wegen ihm" die Treppe runter fiel. Er war aber doch garnicht dran Schuld. Ich vermisse ihn sehr.
Vor knapp 6 Monaten haben wir dann Gabriel adoptiert und freuen uns das er unser Geschenk ist, auch wenn ich meine beiden leiblichen Kinder total vermisse :(
LG Christina und Gabriel

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