Wie soll das nur weitergehen?

Gast

Hallo,

ich bin Karolina und neunzehn Jahre alt. Ich habe zwei Schwestern, Julia (18) und Carmen (22).

Ich möchte nicht angeben oder so, aber ich möchte vorweg betonen, dass mein Vater erfolgreicher Anwalt ist, meine Mutti Ärztin. Alle sind Akademiker und haben studiert, auch meine Tanten, Onkel, meine Großeltern und natürlich meine Eltern; alle wurden beruflich erfolgreich und verdienen gutes Geld. Und das wünschen sich meine Eltern auch für mich und meine Schwestern.

Das soll jetzt nicht eingebildet klingen; aber es liegt in unserer Familie, erfolgreich zu sein.

Meine kleine Schwester Julia macht heuer ihr Abitur und wird danach studieren, meine große Schwester Carmen macht zur Zeit ein Auslandsstudium in den Staaten. Meine Eltern können uns Kindern alles ermöglichen. Sie haben uns beigebracht, uns gewählt auszudrücken, zu lernen und uns zu benehmen. Ich bin ihnen auch dankbar dafür und froh, dass ich in solchen Kreisen aufwachsen durfte. Aber ich bin nicht wie meine Eltern, nicht wie meine Schwestern.

Das ist mein Problem. Meine Familie sieht mich als das schwarze Schaf der Familie. Ich habe eine Realschule besucht, nicht wie sonst alle ein Gymnasium. Das ist ja noch keine Schande, meinen meine Eltern. Aber ich wollte danach nicht auf die FOS. Sie haben das akzeptiert, auch wenn es ihnen schwerfiel.

Mein Dad kennt ein paar Leute von der Bank und hat mir dort einen Platz für eine duale Ausbildung besorgt. Er kennt den Filialleiter und ich kann da wirklich groß rauskommen. Meine Eltern würden alles tun, um mich erfolgreich ins Gewerbe einsteigen zu lassen... Aber ich will das einfach nicht. Ich fühle mich unter Druck gesteckt.

Manchmal würde ich am liebsten schreien: Ich bin Karolina! Ich bin Karolina und nicht euer Idiot, der erfolgreich sein muss und sich anpassen!
Ich würde so unglaublich gerne als Kindergärtnerin arbeiten. Ich weiß, das hört sich doof an, aber das wollte ich schon immer. Mir macht es Spaß mit den Kindern zu spielen, sie gehen so unbefangen auf einen zu. Ich würde gerne mit ihnen malen und so, einen Teil der Erziehung übernehmen usw. Ich finde das toll.

Aber das ist meinen Eltern zu niedrig für ihre Tochter. Ich muss studieren und erfolgreich werden wie sie. Sie wollen, dass ich auch reich werde und ein riesiges Haus kaufe. Ich will das eigentlich nicht, mir würde ein kleines Haus reichen, ein Mann, den ich liebe und ein netter Beruf. Ich will nicht wie meine Eltern oder meine Schwestern werden, denen es nur um Ansehen und Geld geht. Ich bin nicht so...

Ich habe schon so oft mit ihnen darüber gesprochen, aber es nützt nichts. Meine Eltern sind stur und wenn ich ehrlich bin auch furchtbar arrogant. Sie meinen, etwas Besseres zu sein... Sie meinen, man ist nichts wert, wenn man keine Million hat, Kaviar isst und Champagner trinkt.

Meine Schwestern sind mir auch keine große Hilfe. Da ist Carmen, die zielstrebig und ehrgeizig ihr Ziel verfolgt. Lernen geht ihr über alles und sie zeigt kein Verständis für mich.
Julia ist eher das Luxus-Girl. Meine Eltern haben ihr das Abi gekauft... Unzählige Nachhilfestunden, Privatschule usw. um die kleine Juli durchs Gymnasium zu bringen. Julia ist wirklich total faul, aber sie liebt es, auf Partys zu gehen, Champagner zu trinken und im Luxus zu schwelgen... Und trotz allem macht sie unsere Eltern stolz. "So klug, unsere Julia. Abiturientin." Na ja. Julia ist eine kleine Zicke, aber sie bekommt immer, was sie will. Sie lässt sich von Daddy alles zahlen, kommt auf irgendeine private Uni und wird erfolgreich.

Dass ich das nicht will, kann keiner verstehen. Julia und Carmen, die Vorzeigetöchter. Und aus mir haben sie das gleiche gemacht. Aber ich überlege, ob ich nicht einfach meine Ausbildung abbrechen soll und Erzieherin lernen. Ich kann in diesem falschen Leben nicht mehr so weitermachen wie bisher.

Ich werde ein Leben lang gedrängt, jemand zu sein, der ich nicht bin. Ich bin nicht meine Mom, die Medizin studiert hat. Auch nicht mein Dad, dem Luxus über alles geht. Ich bin nicht meine jüngere Schwester Julia, Daddys kleiner Liebling. Und ich bin nicht meine ältere Schwester Carmen, die Vorzeige-Studentin.

Ich bin Karolina.

Oje, das ist jetzt wahrscheinlich echt lang und ein bisschen kitschig geworden...

Aber ich hoffe, ihr könnt mich verstehen.

Ich habe meinen Freundinnen schon oft davon erzählt, die können mich ja auch verstehen, aber richtig Rat geben kann mir keiner. Alle BEWUNDERN meinen Dad.

Na ja.
Bis dann.
Karo

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