Ballett

Gast

Guten Tag,

ich schreibe diese Zeilen, weil ich am Ende bin. Weil ich nicht mehr kann...
Mein Leben lang suche ich Hilfe, aber ich finde sie nie, denn ich bin verdammt dazu, all meine Kräfte zu geben, ohne auch nur den geringsten Lohn dafür zu bekommen.

Ich tanze Ballett, seit ich denken kann, und ich liebe und hasse es zugleich. Wenn ich über den Boden schwebe, angespannt und außer mir zugleich, wenn ich die zarten Klavierklänge in meinen Ohren tanzen höre, wenn ich spüre, wie mein Haar um mein Gesicht wirbelt, wie es meine Kirschlippen streift und meine haselnussbraunen Augen verdeckt, dann weiß ich: Das ist Freiheit.

Doch sobald ich stillstehe, sobald ich aufhöre, meine Füße tanzen und meine Arme schweben zu lassen, holt mich die kalte und harte Realität ein. Dann fühle ich mich in der Anmut gefangen, in der Grazie und der Perfektion. Es schließt mich ein, es droht mich zu ersticken, es drückt mich nieder wie ein gewaltiger Sturm die Grashalme, die im Regen glitzern, niederdrückt... ES - das ist das Leben.
Und das Ballett ist mein Leben.

Wenn ich tanze, dann bin ich frei - doch wenn ich nicht tanze, dann fühle ich den Druck. Dann fühle ich, dass ich perfekt sein muss, dass meine Vollkommenheit Voraussetzung und meine Schönheit traurige Tatsache ist. Ich spüre, dass all meine Perfektion und meine Anziehungskraft mich reduzieren, auf Äußeres, auf Belangloses. Das Wesentliche, nämlich meine innere Schönheit, wird von dem göttlichen Gesicht und dem Haar, welches wie schokoladenbraunes Gold mein Engelsgesicht umrahmt, in den Schatten gestellt, und ich weiß: Alle lieben mich, doch niemand liebt den Menschen in mir. Den Menschen, welcher von trauriger Makellosigkeit eingesperrt wird, gibt es nur noch im Tanz und in der Musik.

Der Druck, den die anderen auf mich ausüben, verschlimmert die ohnehin schon triste Situation noch mehr. Alle erwarten, dass ich weiterhin das Idealbild einer Ballerina verkörpere und der Inbegriff von Reinheit und Unschuld bin. Als Ebenbild der Göttin der Liebe und der Schönheit realisierte ich schon viel zu früh: Die Liebe entspringt der Schönheit, und diese Einsicht schmerzt. Denn wer nimmt mich, die betörende Prinzessin, wenn ich einmal nicht mehr der personifizierte Liebreiz bin?
Wer lässt ab von all den Erwartungen, wenn ich sie einmal nicht mehr erfülle?
Und wer liebt meine verborgene Seele, wenn ich dem ewigen Maskenball einmal ein Ende setze, und das Wahre hinter all dem Schönen zeige?

Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich nicht wagen werde, es zu testen, denn der Tanz lässt mich wie eine Marionette meinen Willen verlieren und suggeriert mir das Gefühl berauschender Freiheit - ein Trugschluss?

Auch diese Frage kann ich mir nicht beantworten. Doch eine Sache weiß ich gewiss: Meine zerrüttete Seele wird, sofern sie zum Vorschein kommt, meine bombastische Schönheit und meinen vollendeten Tanz weder bereichern geschweige denn unberührt lassen. Meine triste Seele wird meine Perfektion all ihrer Göttlichkeit berauben, und das kann ich nicht zulassen, denn sonst werde ich nicht mehr geliebt werden. Meine Fassade darf nicht zu bröckeln drohen!

Und so werde ich weiterhin im ewigen Teufelskreis der Gefangenen tanzen.

Ich bin gefangen in meiner eigenen Anmut.

Elisa

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Gast

Ich würde dir raten, zum Arzt zu gehen.

Gast

Ich glaube dir zwar kein Wort, aber ich muss dir ein Kompliment machen. Du schreibst sehr schön....

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